Ganz rätselhaft finde ich, dass ich mich in diesen Jahren so viel mit der Figur der Mignon auseinandersetze. In den letzten Tagen flatterten auch wunderbare Notenblätter in mein Postfach über die ich mich sehr gefreut habe. Was es damit auf sich hat, werdet ihr dann in zwei Wochen erfahren, wenn der Verein forma Leipzig endlich sein Jubiläumsfestival 10+1 veranstaltet.
Zur Inspiration und um in den Stoff wieder einmal einzutauchen bin ich auf die schönen Postkarten gestoßen, die ihr auf dem Goethezeitportal finden könnt.
Heute teile ich mit euch ein paar Eindrücke und der Vollständigkeit halber auch alle vier wundervollen Goethe-Gedichte!
Mignon I
Heiss’ mich nicht reden, heiss’ mich schweigen,
Denn mein Geheimnis ist mir Pflicht;
Ich möchte dir mein ganzes Innre zeigen,
Allein das Schicksal will es nicht.
Zur rechten Zeit vertreibt der Sonne Lauf
Die finstre Nacht, und sie muss sich erhellen;
Der harte Fels schliesst seinen Busen auf,
Missgönnt der Erde nicht die tief verborgnen Quellen.
Ein Jeder sucht im Arm des Freundes Ruh,
Dort kann die Brust in Klagen sich ergiessen;
Allein ein Schwur drückt mir die Lippen zu,
Und nur ein Gott vermag sie aufzuschliessen.
Mignon II
Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiss, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh’ ich an’s Firmament
Nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiss, was ich leide!
Mignon III
Johann Wolfgang von Goethe
So lasst mich scheinen, bis ich werde,
Zieht mir das weisse Kleid nicht aus!
Ich eile von der schönen Erde
Hinab in jenes feste Haus.
Dort ruh’ ich eine kleine Stille,
Dann öffnet sich der frische Blick;
Ich lasse dann die reine Hülle,
Den Gürtel und den Kranz zurück.
Und jene himmlischen Gestalten,
Sie fragen nicht nach Mann und Weib,
Und keine Kleider, keine Falten
Umgeben den verklärten Leib.
Zwar lebt’ ich ohne Sorg’ und Mühe,
Doch fühlt’ ich tiefen Schmerz genung.
Vor Kummer altert’ ich zu frühe;
Macht mich auf ewig wieder jung!
Mignons Gesang „Kennst du das Land?“
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Mamorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut,
Kennst du ihn wohl?
Dahin! Dahin
Geht unser Weg! o Vater, lass uns ziehn!