Ich hatte es bereits in meinen letzten Blogeintrag angedeutet: Immer mehr wird mir gerade deutlich, dass ein engagiertes „Weitermachen“ doch nicht das Allheilmittel sein kann. Wenn ich mich in ein wenig kritisch auf den sozialen Medien über die merkwürdigen Konzertsituationen – zuletzt an der Oper Halle – äußere, bekomme ich doch des Öfteren den Kommentar zurück, dass wir doch alle froh sein sollen, dass irgendwas gemacht wird.
Aber ist das auch so? Ich habe nicht den Eindruck, dass man sehr glücklich über die Situation sein kann, wenn man eine gekürzte Opernfassung mit eingestampften Orchester im großem Haus vor 50-Leute starken Publikum spielt. Die Krise wird einen deutlich vor Augen geführt. Das spürt die Musik, das spüren die Musiker, das spürt das Publikum und niemand darf etwas sagen.
Mir geht es gar nicht so sehr die Corona-Hygienebestimmungen in Frage zu stellen, die unsere Gesundheit schützen und uns Sicherheit geben. Man braucht nur gen Madrid schauen und dabei feststellen, dass eine zu lockere Richtlinie das Publikum erst recht davor abhält zu kommen.
Mir geht es darum, dass ich das Gefühl habe, dass sich die Institutionen und deren Leitung zu wenig in einen Dialog begeben, was diese Krise wirklich bedeutet. Irgendwie ist diese lauwarme Programmgestaltung und das „Weitermachen“ der deutschen Arbeiterkultur natürlich sehr nahe, aber ich frage mich manchmal doch, ob man sich hierzulande noch erinnert, worum es der Kunst geht.
Gerade jetzt, wo die Gesellschaft sich in Hinsicht Klimawandel, Digitalisierung, ein Krisenmodus nach dem anderen neu ausrichten muss, wird an den Institutionen so getan als müsste man noch weiter versuchen ein paar Euros in die Kassen zu spülen. Aber ganz ehrlich: Angesichts der Lage wird sowieso defizitär gespielt. Warum denn nicht wirklich radikale und zeitaktuelle Programme machen? Jetzt hätte man die Möglichkeit. Stattdessen hier ein hübscher Arien-Potpourri Abend, da ein zusammengestrichener Don Giovanni.
Provisorien, Provisorien, über Provisorien
Muss das denn sein? So nahe am Rockzipfel der Politik entlang? Sind Kulturinstitutionen nicht in erster Linie von dem Mainstream befreit und sollte gerade Angesichts der dramatischen Krisensituation, wenn man gen USA (Stichwort MET) auch auf Auseinandersetzung setzen?
Gerade jetzt sehe ich daran, dass die Kulturszene einvernehmend von den Managern programmiert wird. Die eigentlichen Musiker und Künstler des Hauses kaum sehr selten zu Wort und können auch gar nicht ihre Ideen einbringen. Welch ein Verlust!
Es gibt natürlich vereinzelt gute Beispiele: das THEATER HAGEN. Hier kommt die Motivation eindeutig von der Intendanz. Ich wünschte mir mehr davon und ein radikaler Dialog nach außen fehlt hierzulande allerorts. Zum Beispiel in Form eines Salons, wie Francis Hügers ihn in Hagen initiiert hatte. Leider gab es keine Neuauflage seit Mai.
Ich sehe darin die Gefahr, dass man mit den halbausgegarten Programmen auch das treuere Konzertpublikum vergrauelt.
Ein „Weitermachen“ bringt die Kunst nicht zu Innovationen und Erneuerung. Ich ertappe mich des Öfteren nun doch zu denken, dass eine NO-SHOW Politik auch vielleicht eine sehr gute Lösung wäre. Das ginge dann auf Kosten der Künstlerexistenzen und ist für mich, im Gegensatz zu Moritz Eggert, keine Option.
Wir haben so eine reiche, umfangreiche Kulturlandschaft, die hier gerade auf dem Prüfstand steht. Warum erhebt man sich nicht und sagt:
Schluss jetzt, ab jetzt machen wir nur noch Kunst der Kunst wegen!
Diesen Ruck wünsche ich mir. Da der Mensch naturgemäß ungeduldig ist, bin ich aber fest davon überzeugt, dass dieser spätestens in einem 2ten gestrichenen Festivalsommer 2021 kommen wird.
Bei uns gibt’s jetzt erst einmal wieder einen 2. Neuen Leipziger Kulturzirkel in dieser Woche. Dazu in der kommenden Woche dann mehr.
Tschüssi.
(Fotocredit: Teatro Real© Juan Carlos Rojas/Picture Alliance)