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Und nun? Saison 2020/2021

Die letzten Monate mit Konzerten vor einem geschmälerten Publikum und meine Arbeit als Kulturbotschafterin und dem Podcast Oper & Leben haben mir eines gezeigt: Nichts ist wie wir es kannten. Im April und nach der Überwindung der ersten Krise der Verzweiflung, kam dann eine Welle der Euphorie in mir auf und ich habe mich zunehmend auf die Chancen eines Umbruchs konzentriert. Nun aber gibt es spürbar einen Wandel des Konzertlebens, der nicht nur mit dem kalten Kunstmarkt zutun hat, sondern auch und insbesondere mit einer Verachtung der Hochkultur. Und der Kampf um das Erbe hat nun auch äußerlich begonnen.

Für mich ist es gar nicht überraschend, dass die Künstleragentur CAMI nun Konkurs angemeldet hat. Schließlich sind Agenturen in erster Linie Wirtschaftsunternehmen.

Für mich ist es überraschend, dass die Institutionen (Konzerthäuser, Musikhochschulen und Festivals) ausschließlich ein Thema in den Vordergrund stellen, um eine Debatte über die Kunst zu führen: Die Finanzierbarkeit.

Hochkultur hat sehr wenig mit der Kalkulierbarkeit eines möglichen Cash-Flows zu tun und es sollte auch nicht vordergründig um Subventionen gehen.

Ist man im deutschsprachigen Raum wirklich so blind gegenüber Visionen, wissenschaftlicher Forschung und Innovation geworden?

Ich glaube nicht. In vielen Bereichen gibt es Austausch und den Willen zum Wandeln. Nur im Forschungsbereich, Geisteswissenschaften und Kunst habe ich den Eindruck, dass der Mut zur abstrakten Annahme, die eine Geistesleistung ist, aus den Augen verloren wurde.

Als klassische Sängerin besteht mein Hauptwerk darin mich mit einem Musikstück auseinanderzusetzen, das sich im Regelfall nicht auf Anhieb erschließt, wenn ich es gar nicht kenne. Man muss sich dieses Musikstück erarbeiten; es reift über Jahre. Ich werde nie eine starre Interpretation finden, die ich 1000 mal gleich abliefere.

Es ist eine Forschung, die dem jeweiligen Erkenntnisstand unterliegt.

Dieser Prozess ist nicht messbar. Diese Arbeit ist nicht messbar, weil sie unendlich ist. In dieser Arbeit gibt es immer Neues zu entdecken, Analogien zu erforschen und Stilistik zu hinterfragen: Eine unendliche kritische Auseinandersetzung ist möglich.

Ganz anderes sieht es im Bereich der Unterhaltungsmusik aus. Hier produziert man und hat ein Ziel mit einem Endresultat. Aber auch hier nehme ich deutlich war, dass die BEATLES in Interviews über Instrumentationstechniken sprachen und heute im Fokus steht wieviel Fans ein Stadion füllen, wie man sich dabei fühlt so erfolgreich zu sein (=Geld zu haben).

Trotzdem fühlen sich Künstler verpflichtet vor allem Rechenschaft abzuliefern, ob ihr Tun auch wirtschaftlich ist, ob die Leistung einer Leistungsgesellschaft angemessen ist. Was für ein Bullshit! Und ich möchte allen meinen Künstlerkollegen zurufen: Lasst euch doch nicht so in die Ecke treiben. Man sieht an der Missachtung der Gesprächspartner, dass ein ernsthafter Dialog über Kunst nicht mehr möglich ist. Also spricht man über das Maß aller Dinge, über das auf was wir uns verständigt haben, es sei die einzige Sprache, die die ganze Welt zusammenhält: Geld.

Hier kurz an der Stelle zur Erläuterung: Ich bin keine Befürworterin des bedingungslosen Grundeinkommens. Vielmehr sehe ich den liberalen Markt als eine Chance für Freiheit des Einzelnen, der aber seine Verantwortung in der Welt spürt. Geld muss immer Mittel zum Zweck bleiben, es muss auch gedeutet werden und hat in hohem Maße auch psychologische Effekte. Es ist nicht, wie vielerorts die Annahme ist, neutral.

Auch aus diesem Grund eignet es sich nicht als Ausgangspunkt für eine ernstzunehmende Diskussion über Kunst.

Jetzt zurück zum CAMI Konkurs. Auch das Gewandhaus Orchester Leipzig wird von CAMI repräsentiert. Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was das für das Orchester bedeutet. Ich hoffe stark, dass es die Chance nutzt, um verstärkt Kunst der Kunst wegen zu machen.

Ich möchte auch, dass wir alle bald wieder Konzerte und Opernaufführung in vollem Umfang erleben können. Wenn Künstler und Manager nun die Corona-Verordnungen stark kritisieren, die auch mir manchmal nicht einleuchten, habe ich doch wieder das Gefühl, dass hier das Geld im Vordergrund steht. Zu wenig wird vermittelt, warum ein Ausfall des Konzertlebens gleichzusetzen mit dem Wegfall des geistigen Nährbodens einer Gesellschaft ist.

Das Festhalten an den Zahlen, die zweifelsohne wehtun, ist nicht der richtige Weg die Relevanz deutlich zu machen. Auch gibt es in meinen Augen gar keinen Markt, kein System – das würde erfordern, dass Kunst ein messbares Produkt ist. Was es nicht ist.

Herr Brüggemann schreibt im Crescendo-Wochenbeitrag: „Vielleicht geht es in Zukunft ja auch eine Nummer kleiner, eine Nummer direkter, eine Nummer persönlicher, eine Nummer intimer. Und vor allen Dingen: eine Nummer weniger arrogant.“

Auch dieses Maß finde ich einen falschen Ansatz. Es gibt nicht die Stars da oben, die plötzlich alle arrogant sind und das Mittelmaß, das nun auch eine Chance bekommen soll. Ob klein oder groß; arrogant oder bescheiden; intimer oder unnahbar ist vollkommen nebensächlich.

In erster Linie geht es um die KUNST, die in Zukunft das Maß aller Dinge in dieser Debatte ist.

In diesem Sinne wünsche ich Euch eine kunstintensive Woche.

LINKS:

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/klassik/2072859-Stars-Stars-ueberall-Stars.html

To all those managers, and staff who have lost their jobs at Columbia Artists in NY, (I heard it just before anyone had…

Slået op af Michael SchadeSøndag den 30. august 2020
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